Letzte kleine Chance

Dirk  Becker (SPD) weckte beim konstruktiven Austausch mit der Bürgerinitiative gegen die Freileitungs-Stromtrasse nur vage Hoffnung. Das Blatt in der Diskussion um die geplante neue Stromtrasse ist beinahe ausgereizt. Ein letzter Trumpf ist den Gegnern der im Rahmen der bundesweit von der Nordsee bis nach Bayern vorgesehenen Stromleitung noch geblieben. Die Nähe zur Besiedelung in Borgholzhausen könnte in Berlin noch zu einem Umdenken zugunsten der Erdverkabelung führen.

WB 10.04.15                                                                                                                                              Von Burkhard Hoeltzenbein

Ob die Karten bezüglich der für den Energietransport benötigten 380-kV-Höchstspannungsleitung wirklich noch einmal neu gemischt werden, ist angesichts des fortgeschrittenen Planfeststellungsverfahrens kaum abzusehen. Entsprechend sprach der energiepolitische Koordinator der SPD im Bundestag, Dirk Becker, gestern bei seinem Besuch in Borgholzhausen auch nur von »einer kleinen Chance.«

Ein Schlupfloch

Entsprechend der weit voran geschrittenen Pläne wird die von den Gegnern als gesundheitsschädigend verdächtigte Stromleitung künftig Pium auf der bereits vorhandenen 280-kV-Stromtrasse überspannen. »Es gibt nur noch diesen einen kleinen Schlupf«, sagte Becker und verwies auf die vier in Deutschland ausgewiesenen Modellstrecken. Ob Borgholzhausen mit seinen Einwänden Erfolg habe, werde zwischen den Oster- und Sommerferien im Bundestag in Berlin entschieden.

Mehr als zwei Stunden diskutierte der Oerlinghausener, der demnächst bei den Bürgermeisterwahlen in seiner Heimatstadt antreten wird, auf Einladung der Piumer SPD mit Bürgermeister Klemens Keller, dem Landtagsabgeordneten Hans Feuß sowie mit Dierk Bollin, Hartmut Halden und Heinz Schlüter von der Bürgerinitiative »Keine 380-kV-Freileitung am Teuto« über die Auswirkungen.

Neue Leitungen sind fällig

Die Gegner der überirdischen Leitung halten die Alternative unter der Erde für technisch machbar und auch für finanzierbar. Auch Becker (»Wir diskutieren hier nicht mehr grundsätzlich die Energiewende«) bestätigte, dass die von den Netzbetreibern genannten Kosten für die Erdverkabelung, die das fünf- bis achtfache der Freileitung betragen würde, deutlich übertrieben seien. »Wir gehen heute etwa von der zweieinhalb- bis vierfachen Summe aus.« Das wären allerdings immer noch Milliardenkosten, die die Netzbetreiber vermeiden wollen. Der Leitungsumbau als solcher sei »ohnehin fällig«. Die vorhandene Trasse in Borgholzhausen etwa stammt aus dem Jahr 1929.

Dierk Bollin, der mit Blick auf die Entwicklung in den vergangenen vier Jahren auf den technischen Fortschritt setzt, hat für die Strecke Gütersloh – Lüstringen, die der Netzbauer Amprion GmbH realisieren soll, eine andere Idee. »Da könnte man alleine 30 Kilometer an der Autobahn entlang bauen«, empfiehlt er für die Ausführung der 380-kV-Höchstspannungsfreileitung als Erdkabel.

»Den Schlüssel des Verfahrens hat der Bundestag in der Hand«, sagte Klemens Keller. Doch auch die rot-grüne Landesregierung von Nordrhein-Westfalen müsste ins Boot geholt werden. »Falls der Bund die Gesetzesänderung vornimmt, muss das Land den Planungsstopp verfügen«, erklärte der Bürgermeister die Mechanismen der föderalen Energiepolitik.

Dass die Bürgerinitiativen einen Umdenkungsprozess in der Energiepolitik bewirkt haben, erkennt auch Dirk Becker an. Trassen-Gegner Bollin führt die Abstandsänderung und das Energieeinsparungsgesetz an, mit denen NRW bereits zwei Schritte unternommen habe. Ob sich diese Faktoren noch auf das laufende Verfahren auswirken, bleibt die Frage. Becker: »Wir haben nur eine kleine Chance. Aber die ist da.«